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Entstehungsgeschichte

Der 3. Februar 1990 sollte am bayerisch/tschechoslowakischen Grenzübergang Bayerisch Eisenstein/Železná Ruda nicht nur für den Beginn einer besseren politischen Zukunft in Europa Symbolkraft besitzen, sondern auch der grenzübergreifenden archäologischen Zusammenarbeit wichtige Impulse verleihen. An diesem Tag war es erstmals seit Jahrzehnten möglich, die Grenze ohne Visum zu überschreiten, und eine zwischen den beiden Grenzorten gebildete Menschenkette sollte symbolisch die über Jahrzehnte unterbrochene und nur unter erheblichem bürokratischem Aufwand zu überwindende Hürde zwischen den Menschen diesseits und jenseits des damaligen Eisernen Vorhangs wenigstens für einige Stunden vergessen lassen. Die eintägige Grenzöffnung war der Vorbote für die endgültige Aufhebung der Visumpflicht am 1. Juli desselben Jahres.


Vor der Kirche in Železná Ruda. Von links: Waldemar Procher (damals Mitarbeiter der Kreisarchäologie Deggendorf), Dr. Bernd Engelhardt (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Landshut), Roman Kobeda (Pilsen/Plzeň), Dr. Karl Schmotz (Kreisarchäologie Deggendorf).

Aus dieser Menschenkette heraus entwickelte sich in beide Richtungen eine Wanderung unübersehbarer Massen, an der auch drei Archäologen teilnahmen, die sich, geleitet vom Gespür für ein bedeutendes historisches Ereignis, zur Teilnahme entschlossen hatten: Dr. Antonín Beneš (Pilsen/Plzeň), Dr. Bernd Engelhardt (Landshut) und Dr. Karl Schmotz (Deggendorf). Während des Fußmarsches entstand ganz spontan die Idee einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Form einer Arbeitsgemeinschaft. Bedingt durch den damals herrschenden Trubel wurde es allerdings versäumt, den genauen Zeitpunkt der „Gründung“ dieser Arbeitsgemeinschaft festzuhalten, es dürfte aber der Nachmittag gewesen sein. Vorgesehen war eine intensivere Zusammenarbeit zwischen jenen Kolleginnen und Kollegen, die entweder in den damaligen Verwaltungsbezirken West- und Südböhmen sowie dem aus den Regierungsbezirken Niederbayern und Oberpfalz gebildeten Ostbayern lebten und arbeiteten oder die sich von außerhalb mit Problemen der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie dieser Räume beschäftigten.

Selbstverständlich gab es auch während der vielen Jahre der Teilung Europas in Folge des Zweiten Weltkrieges fachliche und daraus resultierend persönliche Beziehungen über die hermetisch abgeriegelte Grenze hinweg. Gegenseitige Besuche waren zwar möglich, doch standen sie immer unter staatlicher Kontrolle und bedurften der Genehmigung. Aus diesem Grund blieben die Kontakte auf ein Minimum beschränkt, denn im Westen bestand wenig Neigung, in nach unserem Verständnis „unfreie“ Länder zu reisen. Trotzdem pflegten wir unsere fachlichen Kontakte sowohl durch private Besuche als auch durch Einladungen östlicher Kollegen in den Westen und durch Austausch von Literatur. Ohne die bereits vor 1989 entstandenen und gepflegten Verbindungen wäre es wahrscheinlich nie zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft gekommen.

Bekanntlich sind Ideen schnell „geboren“, doch ihre Umsetzung in die Tat ist oft nicht ganz einfach. Deshalb war es wichtig, einen Anfang zu machen, um sowohl die Bereitschaft zur Mitarbeit auszuloten als auch Ideen für die künftige Zusammenarbeit zu entwickeln. Einen ganz entscheidenen Schritt zur Realisierung bedeutete für die tschechische Seite ein Gespräch im Prager Archäologischen Institut beim damaligen Direktor Dr. Evžen Neustupný am 10. August 1990, also knapp sechs Wochen nach der endgültigen Grenzöffnung, an dem Dr. Marie Zápotocká, Dr. Antonín Beneš und Dr. Karl Schmotz teilnahmen. Wir erfuhren dabei die uneingeschränkte Zustimmung für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft, was bei der damaligen Struktur der Archäologie in der Tschechoslowakei von entscheidender Bedeutung war.


Szene am Ortseingang von Železná Ruda. Von links: Dr. Bernd Engelhardt, Roman Kobeda, Dr. Antonín Beneš, Waldemar Procher.

Die so benannte „Archäologische Arbeitsgemeinschaft Ostbayern/West- und Südböhmen – Archeologická pracovní skupina východní Bavorsko/západní a jižní Čechy“ sollte kein eingetragener Verein werden, der mit allen damit zusammen hängenden Regularien belastet worden wäre. Vorgesehen war eine lockere Zusammenarbeit durch jährliche Treffen, die sich auf Schwerpunktthemen konzentrieren sollten, um in einem gewissen Rahmen Leitlinien verfolgen zu können. Organisatorisch bedeutete dies, dass diesseits und jenseits der Grenze jeweils Kontaktpersonen bestimmt werden mussten, die jedes Jahr eine Veranstaltung realisieren sollten. Auf bayerischer Seite ist dies seit Beginn Dr. Karl Schmotz, auf tschechischer Seite bis 1997 Dr. Marie Zápotocká, anschließend Dr. Miloslav Chytráček, beide vom Archäologischen Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag, jeweils unterstützt durch Dr. Jan Michálek vom Museum in Strakonice, der sich vor allem um die Gewinnung von Teilnehmern aus Südböhmen bemühte.

Wie der Name der Arbeitsgemeinschaft bereits aussagt, wollten wir uns besonders mit den kulturhistorischen Entwicklungen auf beiden Seiten des Böhmerwaldes beschäftigen und den persönlichen wie wissenschaftlichen Austausch fördern. Da die geografische Abgrenzung nach den heutigen Verwaltungseinheiten natürlich keinen historischen Sachverhalt widerspiegelt scheuten wir uns auch nicht, Neuigkeiten aus etwas periphereren Gebieten oder neue methodische Ansätze vortragen zu lassen. Dennoch stammt die überwiegende Mehrheit der bis jetzt dargestellten Untersuchungen und Forschungsergebnisse aus dem von uns definierten Gebiet: Unter Ostbayern verstehen wir die Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz, also den Raum zwischen Waldsassen, Regensburg, Landshut und Passau, die Definition von West- und Südböhmen orientiert sich an den Grenzen der alten, im Jahre 2002 teilweise wieder hergestellten Kreise zwischen Eger/Cheb im Nordwesten über Pilsen/Plzeň bis zur österreichischen Grenze bei Neuhaus/Jindřichův Hradec. Im Jahr 2007 wurde die Arbeitsgemeinschaft um Oberösterreich erweitert. Damit kamen wir einem vor allem von österreichischer Seite geäußerten Wunsch nach. Dadurch konnte eine große geographische aber auch kulturhistorische Lücke zwischen Niederbayern und Südböhmen geschlossen werden.

Natürlich sind wir uns bewusst, dass diese weitgehend an politischen und verwaltungstechnischen Grenzen orientierte Definition des betrachteten Raumes nicht mit kulturhistorischen Grenzen zusammenfällt. Da wir aber die gesamte Entwicklung vom ersten Auftreten des Menschen bis ins hohe Mittelalter behandeln wollen, lassen sich nur in Ausnahmefällen kulturhistorische Grenzen berücksichtigen. Außerdem war und ist es aufgrund des sehr unterschiedlichen Bestandes an Denkmalpflege- und Museumsstellen sowie einschlägig tätiger Personen nicht möglich, einen homogenen Forschungsstand für alle geografischen Bereiche zu erreichen.

Die Zusammenarbeit sollte auf keinen Fall zum Selbstzweck einer kleinen Gruppe werden, sondern will die Arbeitsergebnisse mittelfristig auch einem breiteren Publikum, bevorzugt in dem behandelten Raum, zugänglich machen.


An der Absperrung unmittelbar beim Grenzgebäude.

Als offizieller Beginn der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gilt das vom 23. bis 25. April 1991 in der Europa-Akademie von Bernried bei Deggendorf abgehaltene erste Treffen. Seither gelang es, jedes Jahr weitere Treffen abzuhalten. Um sowohl die Organisatoren nicht zu überlasten als auch den Teilnehmern unterschiedlichste Kulturlandschaften zur Kenntnis zu bringen verfolgen wir das Prinzip wechselnder Veranstaltungsorte. Darüber hinaus wurde bereits nach dem ersten Treffen der Wunsch laut, die gehaltenen Vorträge zusammenfassend zu publizieren, wodurch inzwischen eine respektable Schriftenreihe entstand.

Die 1990 spontan vereinbarte Zusammenarbeit trägt inzwischen reiche Früchte. Obwohl sie für die oft unter wenig günstigen Bedingungen arbeitenden Teilnehmern eine zusätzliche Belastung bedeutet, wollen wir alles daran setzen, dass sie fortgeführt wird und eine in der Fachwelt nicht immer ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigten Region mehr Gewicht verliehen werden kann. Allen am Gedeihen der Arbeitsgemeinschaft Beteiligten, und das ist inzwischen eine ganze Reihe von Fachkolleginnen und -kollegen, sind die Organisatoren zu großem Dank verpflichtet. Ohne deren Mitwirken wären alle guten Vorsätze zum Scheitern verurteilt gewesen.

 

Archäologische Arbeitsgemeinschaft Ostbayern/West- und Südböhmen/Oberösterreich